Hostem repellas longius
Hostem repellas longius
Pfingstpredigt
Wir flehen Dich an! Geist des Friedens, komm wieder herab.
Sei Deinen Anbetern gnädig, denen förderlich, die Dich nicht kennen.
Komm herab und schaffe neu.
Belebe die im Zweifel erloschenen Herzen.
Und sei göttlicher Lohn den Besiegten, der barmherzige Sieger.
Manzoni, Pfingsten, S. 89-96
Die Volksfrömmigkeit feiert diesen feierlichen Tag als „Rosen-Ostern“, in Erinnerung an den alten Brauch, die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel und die allerseligste Jungfrau Maria durch eine Kaskade von Rosenblättern zu symbolisieren. Es ist dem Osterfest so ähnlich, dass am Vorabend von Pfingsten denjenigen, die in der Karsamstagsnacht nicht wiedergeboren werden konnten, feierlich die heilige Taufe gespendet wurde. So wie das jüdische Osterfest ein Abbild des christlichen Osterfestes war, so war auch das jüdische Pfingstfest – an dem die Verkündung der Zehn Gebote sieben Wochen nach der Flucht aus Ägypten gefeiert wurde – ein Abbild des neuen Pfingstfestes, das diesmal auf alle Völker ausgeweitet wurde.
An Ostern verneigt sich κόσμος (die Welt) vor der Majestät Christi, des Königs und Pontifex, per quem omnia facta sunt (durch Den alles gemacht ist); an Pfingsten huldigt die Schöpfung dem Schöpfergeist, dem Creator Spiritus, der in seiner Macht das Angesicht der Erde erneuert. An Ostern erfüllen sich die messianischen Verheißungen des Alten Gesetzes; an Pfingsten sind es die Verheißungen des Messias selbst, die sich in Seinem mystischen Leib, der heiligen Kirche, der Mutter der Heiligen – wie Manzoni sie in dem berühmten heiligen Hymnus nennt – erfüllen.
Die Apostel sind im Abendmahlssaal propter metum Judæorum (aus Furcht vor den Juden) (Joh 20,19) eingeschlossen: Sie haben den Heiligen Geist noch nicht empfangen, und ihre menschlichen Ängste werden zehn Tage nach der Himmelfahrt des Herrn mit der Herabkunft des Heiligen Geistes verschwinden. Heute wiederholt sich diese Abwesenheit umgekehrt, mit einer Hierarchie, die das heiligende Werk des Parakleten (des Trösters) nach Seiner Herabkunft schuldhaft ignoriert, schuldhaft verschweigt und verbirgt, nachdem zweitausend Jahre Christentum Seine göttliche Macht gezeigt haben, indem sie Seelen für Gott gewonnen und die heilige Kirche errichtet haben.
Wir dürfen die Schwere dieser Abwesenheit nicht unterschätzen: Sie ist absichtlich, bewusst darauf ausgerichtet, Schaden anzurichten, denn die Söldner sind sich bewusst, dass es, um die Zivilgesellschaft und die Kirche niederzureißen, notwendig ist, so weit wie möglich zu verhindern, dass die Gnade sich ausbreitet, dass sie durch die Sakramente wirkt, dass sie die rechte Hand der Gerechtigkeit Gottes durch die heilige Messe aufhält. Sie wollen, dass das Opfer Christi vergeblich ist, damit die Seelen durch das Austrocknen der Gnadenströme geschwächt werden und auf ihrem Weg durch die Wüste einer feindlichen Welt vor Durst sterben. Ihr Wille – genau wie wir es bei den Ärzten während der Pandemie-Farce gesehen haben – wird nicht von Unerfahrenheit oder Unfähigkeit diktiert: Es ist vielmehr der Wille, Böses zu tun, dem Feind zu dienen, sich der Macht der Neuen Weltordnung zu beugen, in der abscheulichen Illusion, einen Platz am Hof des Antichristen zu haben. Elende Verräter, für die der einzige Grund zu leben darin besteht, sich in dieser schmutzigen libido serviendi (Sklavendienst) zu verzehren.
Dieses subversive Werk – denn das ist es in jeder Hinsicht, vor Gott, der Kirche und den Seelen – zielt darauf ab, die Herrschaft unseres Herrn Jesus Christus auszuhöhlen, damit an seiner Stelle der Sohn des Verderbens, der Antichrist, in einer grotesken Fälschung der zivilen und religiösen Autorität an der heiligen Stätte sitzen kann. Wir können nicht glauben, dass ein Nachfolger der Apostel das von Christus erhaltene Mandat verleugnen und ihm widersprechen und seinem Feind dienen kann, ohne zu verstehen, dass er sich damit zum Komplizen des satanischen Plans der Revolution macht. Nein, liebe Gläubige: nach Jahrzehnten der systematischen Auflösung der Kirche – und mehr als zwei Jahrhunderten der gesellschaftlichen Auflösung – kann kein redlicher Hirte mehr glauben, dass die Neuerungen, die das Zweite Vatikanische Konzil eingeführt hat, nichts mit dem katastrophalen Zustand des kirchlichen Körpers zu tun haben. Für diejenigen, die heute noch die unhaltbare, vermeintliche ‘Rechtgläubigkeit’ des Konzils und seiner Liturgie angesichts des Seelenmords der letzten 60 Jahre verteidigen, sind die Worte des großen Bossuet vollkommen angemessen: Gott lacht über die Menschen, die die Auswirkungen beklagen, deren Ursachen sie schätzen.
Die Abwesenheit der Kirche – d.h. ihre Verdunkelung durch die Konzils- und Synodalsekte, ihre aktive Mitarbeit am synarchistischen Projekt der Freimaurerei – ist das genaue Gegenteil der aufmerksamen Wache der Apostel, die, geistig noch unbewaffnet, auf die himmlischen Waffen ihres Herrn warteten und bereit gewesen wären, sich damit auszurüsten und – um den Preis ihres Lebens – zu kämpfen, wie es dann auch geschah.
Tristes erant Apostoli: Die Herzen der Apostel waren durch die kürzliche Himmelfahrt des Herrn belastet, und das ängstliche Warten auf den tröstenden Geist schöpfte eher aus der Hoffnung als aus der menschlichen Sicherheit. Allein Unsere Liebe Frau – unerschütterlich – bewahrte die Gewissheit des Glaubens und tröstete die Apostel gewiss, indem sie sie an die Worte ihres göttlichen Sohnes erinnerte.
Das Herz der Söldner ist nicht furchtsam: Es wird vielmehr durch die Feindschaft gegen den, der bereits gesiegt hat, verrückt gemacht, um dem zu dienen und zu gefallen, von dem man bereits weiß, dass er unweigerlich verloren hat. Und ebenso töricht ist es zu glauben, dass angesichts eines ebenso skandalösen wie unerhörten Verrats seitens der Hierarchie derselbe Heilige Geist seine Allmacht nicht auf außergewöhnlichen Wegen entfalten kann, indem er Steine zu Propheten verformt.
Das ist die schöpferische und erneuernde Kraft des Heiligen Geistes, des Paraklets: Er weht, wo Er will (Jo 3,8). Und wie unser Herr den Nikodemus lehrt, wo Er will bedeutet nicht, wo es Ihm gut scheint; es impliziert keine Willkür, sondern im Gegenteil die Übereinstimmung der göttlichen Handlung mit dem göttlichen Willen. Der Heilige Geist weht, wo Er will: Er will herabsteigen, um das Opfer des Altars zu heiligen und mit Seiner Gnade zu segnen: veni, et benedic hoc sacrificium tuo sancto nomini præparatum (Komm und segne dieses Opfer, das Deinem heiligen Namen bereitet wurde); Er will herabsteigen auf die im Wasser der Taufe Wiedergeborenen, auf die milites Christi (Soldaten Christi) in der Firmung, auf die Diener des Allerhöchsten in der heiligen Weihe, auf die Eheleute in der Ehe, auf die Kranken und Sterbenden in der heiligen Ölung. Er weht auch in den kleinen Gemeinschaften, die dem Geist der Welt widerstehen, dem Geist der Lüge, der nicht von Gott kommt; Er weht in den Kirchen, in denen die Flamme des Glaubens bewahrt wird; in der Entfaltung weltlicher und traditioneller religiöser Berufe.
Dem „Gott der Überraschungen“ von Jorge Mario Bergoglio setzen die wahre Kirche und die wahren Hirten das semper idem (immer dieselbe) der göttlichen Ewigkeit entgegen. Denn die Neuheit der christlichen Offenbarung ist kein unerreichbares Ziel, das vom sogenannten Fortschritt verfolgt wird, der ebenfalls den Moden und der vergehenden Zeit unterworfen ist, sondern vielmehr ein historisches Ereignis, das den discrimen (die Unterscheidung) darstellt zwischen dem Vorher und dem Nachher, zwischen dem Alten und dem Neuen, also zwischen der Finsternis und dem Licht. Eine Offenbarung, die unser Herr Jesus Christus ist, das ewige Wort des Vaters, und die der Paraklet mit seinen Gaben besiegelt, wie die göttliche Liebe, die aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht; derselbe Geist, der durch die Propheten gesprochen hat und der weiterhin zu uns spricht in den ewigen Worten der heiligen Kirche, der Stimme Christi, die die Schafe kennen.
Die Welt spottet und lehnt den Frieden ab, den nur unser Herr geben kann. Pax Christi in regno Christi (der Friede Christi im Reiche Christi). Wer Satan zur Herrschaft bringen will, kann den Frieden Christi weder verstehen noch wollen, damit Chaos Antichristi in regno Antichristi (das Chaos des Antichristen im Reiche des Antichristen) sei. Der Friede kommt nur von Christus, und ohne Christus kann es keinen Frieden geben. Es kann auch keinen Frieden geben in einer Welt, die durch den Verrat der korrupten und der Macht unterworfenen zivilen Autorität in Apostasie und Satansanbetung versunken ist; es kann keinen Frieden geben in einer Kirche, deren Hierarchie nicht weniger abtrünnig, in Sitte und Glauben verdorben und der gleichen Macht unterworfen ist.
Aber wenn es in einer Welt, die ihren Herrn täglich kreuzigt, weder Frieden noch Wohlstand geben kann, gibt es dennoch ein kleines Heiligtum, in dem dieser Frieden möglich ist, in dem der
Herr sich herablässt, seine eigene Wohnung zu wählen, in der die Engel gerne verweilen: das ist unsere Seele. Ein kostbares Heiligtum, das nach dem Willen Gottes niemand verletzen kann, nicht einmal die Dämonen und ihre Diener, die vom Wahn der künstlichen Intelligenz berauscht sind. Eine Seele im Stand der Gnade wächst in der Heiligkeit, und je mehr sie sich vertrauensvoll dem Willen des Herrn hingibt, desto schneller schreitet dieses geistige Wachstum voran. Das ist das Zönakel (Gebetsort), in das wir uns oft flüchten, indem wir den Tröster bitten, uns in Zeiten der Prüfung Kraft und Unterstützung zu geben. Und ein ähnlicher Zufluchtsort ist die Familie, die ‘Hauskirche’, in die die Schrecken der verdorbenen Welt nicht eindringen und die gerettet wird, wenn der vernichtende Engel vorbeikommt.
Wenn die Allerheiligste Dreifaltigkeit in unseren Seelen wohnt, wird uns der innere Friede auch in den schwierigsten Zeiten nicht fehlen, denn wir wissen, dass der Herr uns gerade in diesen Zeiten wie ein göttlicher Cyrener zu Hilfe kommt. Dieser Friede wird uns auch nicht fehlen, wenn wir uns für das vollständige Bekenntnis zum katholischen Glauben verantworten müssen: Wenn sie euch vor die Synagogen und vor die Richter und vor die Obrigkeit führen, dann sorgt euch nicht um eure Verteidigung oder darum, was ihr sagen sollt; denn der Heilige Geist wird euch in jenem Augenblick lehren, was ihr sagen sollt (Lk 12,11-12). Das ist die Bedeutung des Wortes Paraklet: Anwalt, Ratgeber und Verteidiger des Angeklagten, desjenigen, den der Teufel – διάβολος (Diabolus), der Ankläger – mit seinen falschen Argumenten verleumdet. Deshalb bitten wir im Veni Creator den Paraklet: Hostem repellas longius, vertreibe den Feind in die Ferne; deshalb fügen wir dieser Anrufung die Bitte um Frieden hinzu, pacemque dones protinus (in Deinem Frieden uns erhalt).
Rufen wir also, liebe Brüder, den göttlichen Tröster an, dulcis hospes animæ (Labsal voll der Lieblichkeit), damit Christus, der Fürst des Friedens, im Heiligtum unserer Herzen, in unseren Familien und in unseren Gemeinschaften herrscht, damit dort, wo der Sohn herrscht, auch der Vater und der Heilige Geist herrschen, indem Sie die von der Sünde zerbrochene göttliche Ordnung wiederherstellen. Amen.
+ Carlo Maria Viganò, Erzbischof
Pfingstsonntag, 19. Mai 2024
© Übersetzung für MPI ins Französische von F. de Villasmundo; korrekturgelesen von Mgr. Viganò
© Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche von P. Alois Brühwiler SAJM